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Lärmbelästigungen durch Trompetenspiel in der Nachbarschaft kann nicht immer untersagt werden!


Das häusliche Musizieren und dazugehörige Üben ist in gewissen Grenzen hinzunehmen. Kann zumindest für die Abendstunden und das Wochenende Ruhe verlangt werden? Dies hat nun der Bundesgerichtshof zu entscheiden gehabt.


Der Sachverhalt:

Die Kläger bewohnen ein Reihenhaus. Die Beklagten sind Bewohner des benachbarten Reihenhauses. Der Beklagte ist Berufsmusiker. Er übt im Erdgeschoss und in einem Probenraum im Dachgeschoss Trompete, nach eigenen Angaben maximal 3 Stunden am Tag und an nicht mehr als zwei Tagen pro Woche. Die Mittags- und Nachtruhe würde eingehalten werden. Zwei Stunden wöchentlich unterrichte er auch zuhause Trompetenschüler. Bei einem richterlichen Ortstermin wurde festgestellt, dass das Trompetenspiel des Beklagten im Dachgeschoss im Wohnzimmer der Kläger (Erdgeschoss) nicht und in deren Schlafzimmer (Dachgeschoss) nur leise zu hören ist, während das Trompetenspiel im Wohnzimmer (Erdgeschoss) der Beklagten im angrenzenden Wohnzimmer der Kläger als "schwache Zimmerlautstärke" zu vernehmen ist.

Das Amtsgericht verurteilte das beklagte Paar zum „Ergreifen geeigneter Maßnahmen, damit das Spielen von Musikinstrumenten auf dem Anwesen der Kläger nicht wahrgenommen werden kann“. Dies war wohl zu unklar, sodass das Landgericht zu einen das Trompetenspiel auf das Dachgeschoss beschränkte. Zum anderen erlaubte es das Trompete Üben zuhause nur noch an max. 10 Stunden pro Woche werktags (Montag-Freitag) zwischen 10 und 12 Uhr und 15 und 19 Uhr und an max. acht Samstagen oder Sonntagen im Jahr zwischen 15 und 18 Uhr für jeweils maximal 1 Stunde. Dies ging dem BGH zu weit.



Die Entscheidung:

Zum einen wies er darauf hin, dass gegen die nicht musizierende Ehefrau von vornherein kein Unterlassungsanspruch besteht. Nur als alleinige Eigentümerin oder Vermieterin könne sie als sog. mittelbare Handlungsstörerin verpflichtet werden gegen das Musizieren des Mannes einzuschreiten. Das ist allerdings nicht der Fall, wenn dieser das Haus als Miteigentümer nutzt.

Den Klägern steht schließlich als Nachbarn wegen störender Geräuschimmissionen grundsätzlich ein Unterlassungsanspruch zu. Dieser ist jedoch ausgeschlossen, wenn die mit dem Musizieren verbundenen Beeinträchtigungen nur unwesentlich sind. Hierbei kommt es auf das Empfinden eines "verständigen Durchschnittsmenschen" an; die (Un-) Zumutbarkeit einer Lärmbelästigung muss in jedem Einzelfall geprüft und festgestellt werden.

Das häusliche Musizieren einschließlich des dazugehörigen Übens gehört zu den sozialadäquaten und üblichen Formen der Freizeitbeschäftigung und ist danach in gewissen Grenzen hinzunehmen. Es bildet einen wesentlichen Teil des Lebensinhalts und kann von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude und das Gefühlsleben sein; es gehört damit zu der grundrechtlich geschützten freien Entfaltung der Persönlichkeit. Dabei hat ein Berufsmusiker, der sein Instrument im häuslichen Bereich spielt, nicht mehr, aber auch nicht weniger Rechte als ein Hobbymusiker und umgekehrt.

Andererseits soll auch dem Nachbarn die eigene Wohnung die Möglichkeit zur Entspannung und Erholung und zu häuslicher Arbeit eröffnen, mithin auch die dazu jeweils notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten. Ein Ausgleich der widerstreitenden nachbarlichen Interessen kann grundsätzlich nur durch eine ausgewogene zeitliche Begrenzung des Musizierens herbeigeführt werden.

Der BGH geht für zulässige Beschränkungen von zwei bis drei Stunden an Werktagen und ein bis zwei Stunden an Sonn- und Feiertagen, jeweils unter Einhaltung der üblichen Ruhezeiten in der Mittags- und Nachtzeit, als „groben“ Richtwert aus; im Einzelnen haben die Gerichte einen gewissen Gestaltungsspielraum.

Damit ist ein nahezu vollständiger Ausschluss für die Abendstunden und das Wochenende, wie ihn das Berufungsgericht vorgesehen hat, nicht korrekt. Vor allem Berufstätige, aber auch Schüler, haben häufig nur abends und am Wochenende Zeit für das Musizieren.

(BGH Urteil v. 26.10.2018, V ZR 143/17)

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