Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat entschieden, dass ein Bewohner eines Pflegeheims, der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bezieht, das vereinbarte Entgelt an das Heim nicht mehr zahlen muss, wenn er nach einer Eigenkündigung vor Ablauf der Kündigungsfrist auszieht.
Sachverhalt:
Der Kläger ist auf die Unterbringung in einem Pflegeheim angewiesen und bezieht Leistungen der sozialen Pflegeversicherung. Nach dem Wohn- und Betreuungsvertrag konnte das Vertragsverhältnis spätestens am dritten Werktag eines Kalendermonats zum Ablauf desselben Monats schriftlich gekündigt werden.
Der Kläger kündigte den Wohn- und Betreuungsvertrag zum 28. Februar, zog jedoch bereits am 14. Februar aus und bezog am darauffolgenden Tag einen neuen Pflegeplatz.
Das Heim stellte dem Kläger Heimkosten für den gesamten Monat Februar 2015 in Höhe von 1.493,03 € in Rechnung. Der Kläger hat geltend gemacht zur Zahlung des Heimentgelts für die zweite Februarhälfte nicht verpflichtet zu sein, da mit seinem Auszug am 14. Februar seine Zahlungspflicht entsprechend dem Grundsatz der taggenauen Abrechnung gemäß § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI erloschen sei.
Die Entscheidung
§ 87a Abs. 1 Satz 1 SGB XI, dem das Prinzip der tagesgleichen Vergütung zugrunde liegt, bestimmt, dass die im Begriff des Gesamtheimentgelts zusammengefassten Zahlungsansprüche der Einrichtung für den Tag der Aufnahme des Pflegebedürftigen in das Pflegeheim sowie für jeden weiteren Tag des Heimaufenthalts taggenau berechnet werden. Danach besteht der Zahlungsanspruch des Heimträgers nur für die Tage, in denen sich der Pflegebedürftige tatsächlich im Heim aufhält (Berechnungstage). In Anwendung des Prinzips der Berechnung auf Tagesbasis ordnet § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI an, dass die Zahlungspflicht der Heimbewohner oder ihrer Kostenträger mit dem Tag endet, an dem der Heimbewohner aus dem Heim entlassen wird oder verstirbt.
Nach seinem eindeutigen Wortlaut erfasst § 87a Abs. 1 Satz 2 SGB XI ebenso die zivilrechtliche Vergütungspflicht des Heimbewohners. Es handelt sich um eine gegenüber den heimvertraglichen Bestimmungen des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes vorrangige Sonderregelung zugunsten von Heimbewohnern, die gleichzeitig Leistungsbezieher der Pflegeversicherung sind. Dieser Vorrang kommt darin zum Ausdruck, dass abweichende Vereinbarungen nichtig sind (§ 15 Abs. 1 Satz 2 WBVG, § 87a Abs. 1 Satz 4 SGB XI).
Ein "Entlassen" im Sinne des § 87a Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB XI liegt nach Auffassung des BGH schließlich auch dann vorliegt, wenn der Pflegebedürftige – nach einer Kündigung des Heimvertragsverhältnisses – vor Ablauf der Kündigungsfrist des § 11 Abs. 1 Satz 1 WBVG endgültig auszieht. Dass der Begriff "Entlassen" auch den Umzug beziehungsweise die Verlegung des Pflegebedürftigen in ein anderes Heim erfasst, erschließt sich aus dem Zusammenhang der Regelung des § 87a Abs. 1 Satz 3 SGB XI. Darin wird klargestellt, dass die Zahlungspflicht des Heimbewohners gegenüber dem bisherigen Pflegeheim nicht für den Umzugs-/Verlegungstag besteht und insofern ein Heimentgelt nur durch die aufnehmende Pflegeeinrichtung berechnet werden darf. Damit bringt das Gesetz zugleich zum Ausdruck, dass für die restlichen Tage des Monats, in dem der Auszugs-/Verlegungstag liegt, kein Entgelt mehr an das bisherige Pflegeheim zu zahlen ist, und zwar unabhängig davon, ob der Heimbewohner, der Leistungen der sozialen Pflegeversicherung bezieht, die Kündigungsfrist des § 11 Abs. 1 Satz 1 WBVG einhält.
§ 87a Abs. 1 Satz 5 bis 7 SGB XI bedeutet somit, dass ein Vergütungsanspruch der Einrichtung nur besteht, wenn der Pflegebedürftige das Heim nur vorübergehend verlässt (z.B. wegen eines Krankenhausaufenthalts) und deshalb einen gesetzlichen Anspruch auf Freihaltung seines Pflegeplatzes hat.
(BGH Urteil vom 4. Oktober 2018 – III ZR 292/17)
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